WiSe 2023/24 – „Reisen und Schreiben“ – mit Leyla Bektaş
In diesem Semester sind wir weiter durch Bremen gereist. Unsere Spaziergänge im Wintersemester führten uns zum Bremer Flughafen, ins Blockland, auf den Weihnachtsmarkt und wieder nach Gröpelingen. Entstanden sind Texte unterschiedlicher Gattungen, in die die Orte sich eingeschrieben haben, mal ganz deutlich, mal ganz subtil.
risse und pflaster
alles klafft auf
da sind
risse im asphalt die ich durch meine schuhsohlen spüre
löcher in meinen schuhen jackentaschen gedanken
die erde die wie ein vollgesogener schwamm
von dunkelblauen adern durchzogen
leise atmet
wünschelrutenreden im kopf
blockierte meridiane zwischen dir und mir
die autobahn brücken
die wir überqueren und dabei nur nach links und rechts schauen
wie ein pflaster das sich über die rasenden
led-blinkenden kabinen legt
propaganda sticker vom regen abgenutzt
und auf einmal wird alles wieder still mit jedem schritt
ein wenig mehr
wir schützen uns mit lärmschutzwänden
wie vor kriegszuständen jahrtausendwenden monatsenden
nur um ja nicht herauszufinden
wie es wäre
einmal wirklich hinzusehen
und ich war doch schon mal hier sage ich
(…)
Freiheit?
Hoch oben auf dem Dach des Parkhauses stehst du neben mir. Der Wind bläst uns ins Gesicht und wirbelt dir meine Haare um die Ohren. Du blickst runter auf die Landebahn des Flughafens. „So muss sich Freiheit anfühlen.“ Mit deinen Augen verfolgst du das Flugzeug, welches sich auf die Flugbahn schiebt und langsam immer schneller wird. Schließlich lösen sich die Räder vom Boden und heben das tonnenschwere Konstrukt in den Abendhimmel hinauf. Mehrere Minuten blickst du dem Flugzeug auf seinem Weg in die Ferne hinterher. Was wohl das Ziel der Passagiere ist? Teneriffa? Australien? Los Angeles? Als das Flugzeug hinter einer Wolke verschwunden ist, drehst du dich zu mir und blickst mich mit dem Gesichtsausdruck an, den du immer hast, wenn dir ein Plan vorschwebt. „Lass uns wegfliegen“, sagst du. „Ganz weit weg. Irgendwohin, wo niemand uns kennt.“ Ich fange an zu lachen. „Wieso lachst du jetzt? Du sagst doch immer, dass du dich in deinem Leben hier gefangen fühlst.“ Ich höre auf zu lachen. (…)