Bücher. Themen. Gespräche.
In Kooperation mit der bremer shakespeare company starteten das virtuelle Literaturhaus und das Bremer Literaturkontor 2022 eine neue Lesereihe, mit der regelmäßig prominente deutschsprachige Gegenwartsautor*innen für eine Lesung nach Bremen eingeladen werden. 2023 geht SATZWENDE mit neuen Autor*innen und Büchern in die zweite Runde. Die Auswahl der Schriftsteller*innen wird eng mit der Themensetzung des digitalen Literaturmagazins verknüpft. Passend zum Magazinthema des Monats wird ein*e Autor*in eingeladen, der*die zugleich die Kolumne für das digitale Literaturmagazin schreibt. Wir sprechen über neue Bücher und wichtige Themen.
Das Projekt ist eine Kooperation des virtuellen Literaturhauses, des Bremer Literaturkontors und der Bremer Shakespeare Company und wird gefördert durch den Senator für Kultur und das Art Hotel Ana.
Luca Kieser: #PRIVILEGIEN
Luca Kieser wurde 1992 in Tübingen geboren. Er studierte Philosophie sowie Sprachkunst in Heidelberg, Leipzig und Wien, wo er heute lebt. Ausgezeichnet wurde er unter anderem mit dem Wortmeldungen Förderpreis, dem Lyrik-Lichtungen-Stipendium und dem FM4 Wortlaut. Sein Debütroman Weil da war etwas im Wasser stand drei Mal in Folge auf der ORF-Bestenliste und war für den Deutschen Buchpreis 2023 nominiert. Im Herbst 2024 erschien sein zweiter Roman Pink Elephant, der von Freundschaft, Zugehörigkeit und Alltagsrassismus erzählt.
Katja Oskamp: #LUST
Katja Oskamp, geb. 1970 in Leipzig, ist in Berlin aufgewachsen. Nach dem Studium der Theaterwissenschaft arbeitete sie als Dramaturgin am Volkstheater Rostock und studierte am Deutschen Literaturinstitut Leipzig. 2004 veröffentlichte sie als Debüt ihren Erzählungsband Halbschwimmer, es folgten die Romane Die Staubfängerin und Hellersdorfer Perle. 2019 erschien bei Hanser Berlin Marzahn, mon amour. Für die englische Ausgabe des Bestseller-Romans erhielt Oskamp 2023 zusammen mit der Übersetzerin den Dublin Literary Award erhielt, den höchst dotierten europäischen Literaturpreis, der für ein einzelnes Werk vergeben wird.
Lucy Fricke
Lucy Fricke wurde in Hamburg geboren und lebt in Berlin. Für ihre Arbeiten wurde sie vielfach ausgezeichnet. Ihr Roman Töchter erhielt 2018 den Bayerischen Buchpreis, wurde in acht Sprachen übersetzt und fürs Kino verfilmt. Nach dem Bestseller Die Diplomatin ist ihr zweiter Roman Das Fest bei claassen im Oktober 2024 erschienen. Die Autorin erhielt 2024 den Roswitha-Preis der Stadt Bad Gandersheim.
Isabel Bogdan
Isabel Bogdan, geboren 1968 in Köln, studierte Anglistik und Japanologie in Heidelberg und Tokio. Sie verfasste zahlreiche Übersetzungen, u.a. von Jane Gardam, Nick Hornby und Jonathan Safran Foer. 2011 erschien ihr erstes eigenes Buch, Sachen machen, bei Rowohlt, außerdem schrieb sie Kurzgeschichten in Anthologien. 2006 erhielt sie den Hamburger Förderpreis für literarische Übersetzung und 2011 den für Literatur. 2016 erschien ihr Bestsellerroman Der Pfau und 2019 Laufen. Beide wurden auch verfilmt. 2024 ist ihr Roman Wohnverwandtschaften erschienen.
Caroline Wahl: #Meer
Die Autorin wurde 1995 in Mainz geboren und wuchs in der Nähe von Heidelberg auf. Sie hat Germanistik in Tübingen und Deutsche Literatur in Berlin studiert. Danach arbeitete sie in mehreren Verlagen. Nach ihrem ersten Roman, dem Spiegel-Bestseller 22 Bahnen aus 2023 folgte Windstärke 17, in dem die Geschichte von Tildas Schwester Ida weiter geht. Denn Ida verlässt ihre Kleinstadt mit wenig mehr als einem alten Koffer und ihrem Laptop, auf der Suche nach einem Neuanfang. Auf Rügen landet sie zufällig bei Knut und Marianne, die sie liebevoll aufnehmen. Gemeinsam mit ihnen erlebt sie Momente der Leichtigkeit und Wärme, findet neue Freundschaften, doch die Entdeckung von Mariannes schwerer Krankheit stellt ihre neu gewonnene Stabilität auf eine harte Probe.
Daniel Schreiber: #Verluste
Daniel Schreiber, geboren 1977, ist Schriftsteller, Übersetzer und Kolumnist bei WELTKUNST und ZEIT am Wochenende. Mit seinen hochgelobten und vielgelesenen Büchern Nüchtern (2014) und Zuhause (2017) hat er eine neue Form des literarischen Essays geprägt. Sein Buch Allein (2021) stand monatelang auf der SPIEGEL-Bestseller und Sachbuch-Bestenliste und war auch international ein großer Erfolg. In seinem neuesten Essay Die Zeit der Verluste (2023) erkundet Daniel Schreiber einfühlsam den Verlust von Gewissheiten, inspiriert von der persönlichen Erfahrung des Todes seines Vaters. In nebelumhülltem Venedig reflektiert er über unsere Fähigkeit zu trauern und sucht nach Wegen, mit diesem überfordernden Gefühl umzugehen.
Lion Christ: #Stadt
Lion Christ, in Bad Tölz geboren, studierte Film und Literarisches Schreiben und lebt in Leipzig. Für seinen Debütroman Sauhund erhielt er das Münchner Literaturstipendium 2021. Im Roman sucht Flori nach dem prallen Leben, Glanz und einer dauerhaften Liebe. Als Glückssuchender erlebt er die Szene zwischen Franz Josef Strauß und Freddie Mercury, trotzt den Erwartungen, erkundet Clubs und stürzt sich in eine Welt von hedonistischer Rebellion. Sauhund ist Lions Christs rauschhaftes Denkmal für Flori und die vergessenen Liebenden der ersten AIDS-Jahre.
Stephan Lohse: #Haut
Der Autor wurde 1964 in Hamburg geboren. Er studierte Schauspiel am Max-Reinhardt-Seminar in Wien und war unter anderem am Thalia Theater, an der Schaubühne in Berlin und am Schauspielhaus in Wien engagiert. Sein Debütroman erschien 2017 und Das Summen unter der Haut ist sein dritter Roman, der leichtfüßig und mit viel Humor die Geschichte von zwei Jungen und den wichtigsten Dingen im Leben erzählt: über Liebe und Freundschaft, über das Aufwachsen in den siebziger Jahren – einer Vergangenheit, wie sie vielleicht nie war, aber hätte sein sollen.
Paula Schweers: #Zugehörigkeit
Die gebürtige Bremerin und Journalistin erzählt in ihrem Debüt die fesselnde Geschichte zweier Halbgeschwister mit unterschiedlichen Lebenswegen, die ein besonderes Talent teilen: die Vorahnung von Katastrophen, ihr Lawinengespür. Nora und Leo wachsen in einem bayerischen Dorf auf. Als ihr Elternhaus in Flammen aufgeht, verschwindet Leo spurlos. Zehn Jahre später steht Nora in Berlin als junge Geologin kurz vor ihrem Durchbruch. Sie weiß nicht, dass Leo sich nahe Moskau eine prekäre Existenz aufgebaut hat: Während Nora versucht, die Kontrolle zu behalten, hat ihr Bruder alle Bindungen gekappt und lebt ein freies, schutzloses Leben.
Ulrike Sterblich: #Nacht
Mit Drifter wurde die Politologin und Autorin aus Berlin für den Deutschen Buchpreis 2023 nominiert. Mysteriös und wunderbar fantastisch erzählt Ulrike Sterblich in ihrem Roman die Geschichte von Wenzel und Killer: Alles ändert sich, als Vica in ihr Leben tritt: eine Frau in goldenem Kleid, meist begleitet von zwei treuen Adjutanten und einem riesigen Zottelhund. Bei jeder Begegnung mit Vica ploppen neue Fragen auf. Sie kennt unerklärliche Geheimnisse und ihr Einfluss bringt Unruhe in die Welt der Freunde. Als Vica schließlich auch noch den Wohnblock ihrer Kindheit in Beschlag nimmt, gerät die Welt von Wenzel und Killer ins Wanken.
Daniela Dröscher: #Klasse
Aus der Perspektive des Mädchens Ela erzählt Daniela Dröscher in Lügen über meine Mutter eine Familiengeschichte in einem deutschen Dorf der achtziger Jahre. Ihr autofiktionaler Roman handelt vom ständigen Kampf der Mutter gegen ihr Übergewicht und von der Niedertracht des Vaters in dem damals noch unhinterfragten patriarchalen Gefüge. Zugleich reflektiert Daniela Dröscher dialogisch über Herkunft, Klasse und die Auswirkungen eines Rollenmodells, das in einer Tragödie enden muss. Mit dem Roman stand sie auf der Shortlist für den Deutschen Buchpreis.
Heinz Helle: #Väter
Heinz Helles neuer Roman Wellen ist eine sensible und tiefsinnige Reflexion über Vaterschaft, überkommene und neue Rollenmodelle und nicht zuletzt über die Liebe: zu seinen Kindern, seiner Frau, zu sich selbst – und zur Sprache. Vor dem Hintergrund des ersten Jahres der Corona-Pandemie mit all seiner Enge und Ungewissheit denkt Heinz Helle in tagebuchartigen Sequenzen nicht nur über die deutsche Gewaltgeschichte des 20. Jahrhunderts nach, sondern schreibt so leichtfüßig über das alltägliche Zweifeln und Verzweifeln, dass es schon wieder schön ist.
Kim de l'Horizon: #Zukunft
Sehr verdient wurde der Roman Blutbuch 2022 mit den höchsten Literaturpreisen ausgezeichnet, zählt er doch zu den inhaltlich und stilistisch spannendsten Neuerscheinungen der letzten Jahre. Die experimentelle Familiengeschichte, aus der Sicht einer nonbinären Person erzählt, bricht nicht nur gesellschaftliche, sondern auch erzählerische Normen auf. Kim de l'Horizon macht sich, adressiert an die demente Großmutter, auf die Suche nach anderen Arten von Wissen, Überlieferung und Ichwerdung, um sich von Dingen zu befreien, die ungefragt weitergetragen werden.
Anna Yeliz Schentke: #Sprache
In Anna Yeliz Schentkes herausragendem Debütroman Kangal steht der politische Aktivismus in der heutigen Türkei im Mittelpunkt. Aus drei Perspektiven werden mitreißend die Geschichten der jungen Menschen Dilek, Tekin und Ayla erzählt. Anna Yeliz Schentke setzt dabei ganz auf die Codes und Leerstellen der Sprache. Kangal ist hochbrisant, denn der Roman zeigt gerade auch in seinen Auslassungen die Folgen eines repressiven Systems für unsere Gesellschaft und benennt zugleich die Differenzen zwischen den Generationen auf sehr präzise Weise.