Literarischer Kulturaustausch 2022 – mit Angelika Sinn
Imagine Peace
Unser Treffen im März war überschattet vom Krieg in der Ukraine, die schrecklichen Ereignisse dort beschäftigten uns alle sehr. Auch an andere Kriege haben wir gedacht, an die, die vergangen sind und an die immer noch herrschenden. Doch dann haben wir uns die Kraft der Worte zunutze gemacht und den Kriegen und unseren Gedanken daran literarisch etwas entgegengesetzt. Frei nach der Kunstaktion von Yoko Ono „Imagine Peace“ und mithilfe verschiedener Symbole haben wir uns ein friedliches Miteinander vorgestellt und den Frieden in Texten herbeigesehnt.
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Texte aus dem ›Literarischen Kulturaustausch 2021‹ gibt es hier
Hände
Ich möchte dir meine Hand anbieten. Damit du dich sicherer fühlst. Damit du dich unterstützt fühlst. Ich gebe dir meine Hand, ich bleibe hier, in der Nähe. Ich lege die Ruhe auf den Tisch, serviere dir Frieden als Mahlzeit. Nimm dir die Zeit, nimm dir den Raum, nimm dir ein Stück Papier und lass uns zusammen eine Taube falten.
Ich gebe dir meine Hand, ich bleibe hier, neben dem Parfum der Blumen, die ich für dich gepflückt habe, damit ihre warmen Farben dich begleiten können.
Ich gebe dir beide Hände, wenn eine nicht genügt. Lass die Kälte draußen. Lass die Ängste unter den Ruinen, unter den Trümmerbergen, unter dem alten nassen Laub. Lass den Wind die Unruhe in die Vergangenheit bringen.
Gib mir deine Hände. Wir nehmen die Stille des Wassers wahr, waschen alle sorgenvollen Gedanken weg, waschen die schwierigen Flecken der Zeit weg, waschen die hungrigen Tage weg. Lass diese Harmonie voll sanftem Mond, Reinheit und Helligkeit uns nähren.
Erinnerung
Als ich heute eine Friedenstaube gesehen habe, hat mich das Bild sofort in die 80er Jahre, in meine Kindheit zurückgebracht. Dieses Symbol war damals überall anzutreffen: in Zeitschriften und Zeitungen, auf Postern, auf Kindergeschirr und in unserer selbstgemachten Schülerzeitung. Damals wurde viel über Frieden und Freundschaft auf der Welt gesprochen. Die Sowjetunion und die Vereinigten Staaten hatten sich versöhnt und einander versprochen, keine Kriege mehr zu führen. Waffen waren in den Ruhestand geschickt worden. Danach habe ich überall die Friedenstaube gemalt: im Unterricht, in Seminaren, einfach so, unbewusst.
Heute habe ich sie wiedergetroffen. Sie kam aus der Vergangenheit, durch das ganze Feuer, durch die existierende Aggressivität und den Strom von negativen Informationen, sie kam als Erinnerung und als ein Hinweis. Sie hat mich in die schöne Zeit zurückversetzt.
Vor der Friedensmission
Gefüttert, mit allem was uns lieb ist.
Beschützt, solange es geht.
Den Weg musst du allein finden,
um wehrlos Kunde zu bringen,
getragen durch die Aufgabe.
Wir sorgen uns
und spüren deine Verletzlichkeit,
den warmen Körper im weichen Gefieder,
das pochende Herz
vor der langen Reise.
Sei frei –
unsere hoffnungsvollen Wünsche begleiten dich
bis zur Wiederkehr
wollen wir gut denken
und Beistand erbitten
Friedlicher Hafen
As salamu alaykum. Diese Begrüßung, an die die Menschen in unserer Kultur gewöhnt sind, meint "Frieden sei mit euch". Und Frieden ist das wichtigste im Leben.
Wir müssen lernen, aus unseren vielen Ideen die richtigen auszuwählen. Über welche Ideen wollen wir nachdenken? Und wohin sollen die Ideen uns führen? Welches Ziel streben wir an? Viele Dinge in unserem Leben laufen mittlerweile automatisch, zum Beispiel, was wir jedem Tag anziehen oder was wir am Morgen zuerst trinken. Wenn wir unser Leben steuern wollen, müssen wir zuerst die Ideen eines geregelten Lebens entwickeln. Wir müssen unsere Gedanken ordnen: Was ist wichtig, was ist bedeutend, was ist positiv, was negativ?
Manche Gedanken sollten wir weit von uns schieben. Erlaube nie, dass dein Verstand ein Hafen für schädliche Ideen wird. Wenn du fühlst, dass das Schiff deiner Gedanken gefährliche Ideen mit sich führt, schalte das Leuchtfeuer aus, damit das Schiff nicht zu dir findet und einen festen Ankerplatz bei dir ansteuert. Empfange keine Piratenschiffe oder sogar Kriegsschiffe, denn sie sind aggressiv und herzlos. Sie vertreiben Menschen und zerstören ihre Heimat. Auch die Schiffe der Missionare müssen erst ihre Aufrichtigkeit beweisen. Deine Gedanken sollten ein friedlicher Hafen sein, in dem hellerleuchtete Schiffe einen sicheren Ankerplatz finden. Diese Schiffe haben Ideen geladen, die gut für dich und auch für deine Mitmenschen sind.
Hand aufs Herz
Kalter Krieg ist
plötzlich warm geworden
Ich spüre die Wärme
Eine Frau trägt ein schwarzes Hemd
Traurigkeit ist auf ihr Gesicht geschrieben
auf Arabisch, in dreizehn Zeilen
Ich lese sie leiernd
Fließend kann ich es nicht
Die Traurigkeit anderer
kann man nicht fließend lesen
kann man nicht leicht verstehen
wenn man nicht die gleiche Traurigkeit
den gleichen Kummer erlebt hat
Hand aufs Herz
Ich lüge nicht
Frieden ist
Frieden ist – solange ich bei offenem Fenster einen Song hören kann
Frieden ist – solange die Paare im Park die Sonne genießen
Frieden ist – solange du an meiner Seite schläfst
Frieden ist – solange die Mutter zum Mittagessen ruft
Frieden ist – solange der Bauer sät und erntet
Frieden ist – solange die Kinder in den Straßen spielen
Frieden ist – solange das Lachen der Frauen zu hören ist
Frieden ist – solange die Straßenbahn fährt
Frieden ist – solange es Tag und Nacht gibt
Frieden ist – solange ich zur Arbeit gehe
Frieden ist – solange die Tauben fliegen
Frieden ist – solange die Schulglocke erklingt
Frieden ist – solange das Klavier und deine Stimme zu hören sind
Flügelschläge
Kriege sind schlimm
Kriege sind zerstörerisch
Kriege zerstören die Welt
Der Krieg zerstört die Welt
Er zerstört die Grenzen
Er zerstört Träume
Und zerstört den Frieden
Kriege sind wie Risse in einem Glas
Je öfter ein Krieg ausbricht
desto mehr Risse bilden sich in der Welt
Frieden verbreitet den Duft der Blumen
Und die weiße Friedenstaube
verbreitet mit ihren Flügelschlägen
Frieden in der Luft
Die Bedeutung des Krieges ist, genau wie die Zeit, relativ!
Manchmal ist der Preis des Friedens in einem Land, Krieg in einem anderen.
Seit meiner Kindheit tue ich gerne das, was nicht machbar ist. Nun ja, ich imaginiere internationalen Frieden. Ich imaginiere Einheit in der menschlichen Gesellschaft. Obwohl es quasi unmöglich oder kaum möglich ist, in so einem Ausmaß, nämlich sich weltweiten Frieden vorzustellen, imaginiere ich den Frieden trotzdem!
Sobald einige Nationen sich gegenseitig hassen und einige Länder Meisterwerke der Ingenieurskunst, nämlich Waffen und militärische Fahrzeuge, herstellen und gerne verkaufen, erleben wir den Frieden nicht weltweit! Aber trotzdem lass ihn uns imaginieren, wie John Lennon!
Die Kerze
Die Kerze erleuchtet die Welt, zeigt uns den Weg in die Zukunft und auch das Licht, das Gute, das in unseren Herzen liegt.
Das Licht, wie Sterne im Himmel. Es hilft uns, unser Universum zu erkennen, zu sehen, wie weit und groß es ist.
Das Kerzenlicht bricht die Dunkelheit der Welt, der Herzen.
Wir sind guter Dinge, da es uns berichtet, dass das Gute immer bleibt und siegt.
Das Licht bricht die Unwissenheit, bricht die alten Traditionen, Bräuche, die uns zurückgeworfen haben.
Das Licht zeigt den Generationen den Weg der Wissenschaft, macht den Menschen bewusst, dass sie alle gleich sind und Geschwister. Wir stammen alle von Adam und Eva ab.