Ein letztes Wort Nacht für Nacht – Hartwig Struckmeyer ist tot.

Von Johann-Günther König

„Und am Ende des Tages mitten in der Nacht, wenn nichts mehr kommt, ein letztes Wort Nacht für Nacht, ein letztes Bild hingemalt, gezeichnet.“ So lauten die ersten einführenden Zeilen in Hartwigs Gedichtband Blätter wehn im Wind.

© Rolf Möhlenbrock

Hartwig Struckmeyer kam am 11. Mai 1934 in Bremen zur Welt und verstarb kurz vor seinem 90. Geburtstag am 3. März 2024 in Beverstedt bei Bremen. Von 1941 bis 1951 wuchs er in Stemmen (Schaumburg-Lippe) auf. Zurück in der Hansestadt an der Weser bestand er 1954 das Abitur und studierte anschließend Literaturwissenschaft, Geographie, Pädagogik und Philosophie an den Universitäten in Hamburg, Graz und Münster. Nach dem zweiten Staatsexamen wirkte er ab 1961 in Bremen als Studienrat am Gymnasium an der Hermann-Böse-Straße. 1970 übernahm er in Gelsenkirchen die Leitung einer der ersten ganztägigen Gesamtschulen der Bundesrepublik. 1973 berief ihn die bremische Senatsverwaltung für Bildung und Wissenschaft zum Oberschulrat.

In der Bildungsbehörde engagierte sich Hartwig Struckmeyer für die Integration von allgemeiner und beruflicher Bildung im Rahmen der Entwicklung von Schulzentren des Sekundarbereichs II, entwickelte das pädagogisch-inhaltliche Konzept (PIK) für die Schulen im Bundesland Freie Hansestadt Bremen und förderte als Referent nachhaltig die Verbindung von Theater und Schule, von Schul-Theatertagen und Musikfestivals und trieb die Etablierung der Jugendkunstschule mit voran. Hartwig Struckmeyer vertrat Bremen in Ausschüssen der Bund-Länder-Kommission für Bildungsplanung und Forschungsförderung (BLK) und setzte sich erfolgreich für Modellversuche ein, die in der Hansestadt das Theater der Versammlung zwischen Bildung, Wissenschaft und Kunst ermöglichten und zur festen Etablierung vom MOKS-Theater für Kinder und Jugendliche führten. In einem Nachruf von damaligen Akteurinnen und Akteuren heißt es: „Hartwig Struckmeyer war der Schutzengel aller, die sich für die ästhetische Bildung einsetzten. Er breitet seine Flügel aus, über das Moks-Theater, die Wagenfeld-Schule, das Fach Darstellendes Spiel und viele andere musische Initiativen im Land Bremen.“ (Weser-Kurier, 9./10.3.2024)

Hartwig Struckmeyer, der 1977 in den Verband deutscher Schriftsteller (damals in der IG Druck und Papier) aufgenommen worden war, leitete eine poetische Werkstatt der Hochschule für Künste und hatte einen Lehrauftrag für Kreatives Schreiben an der Freien Kunststudienstätte Ottersberg. 1983 begründete er den Bremer Schüler Literaturpreis für alle Altersstufen (später: Bremer Literaturpreis für Kinder und Jugendliche). Der Jury gehörten für eine lange Zeit neben wechselnden Schülerinnen und Schülern an: Marita Albers, Gerd Bohnen, Donate Fink, Truxi Knieriem, Johann-Günther König, Ursula Menck, Lothar Paul und natürlich Hartwig Struckmeyer, der so herrliche Ausschreibungsthemen wie Mein Herz, mein Herz ist traurig (2003) und Wohin wandert all das Geträumte (1995) anregte. Gemäß der Erkenntnis: Die Lust am freien Fabulieren und am Spiel mit Worten und Sprache kann nicht früh genug geweckt werden, begutachtete die Jury in manchen Jahren mehrere Hundert eingesandte Texte von Schülerinnen und Schülern der 1. bis 13. Klasse.

“Hartwig Struckmeyer war ein Menschenfreund, der junge Leute ermunterte und förderte und ältere Leute nicht minder.”

Nach seiner Pensionierung 1992 verzog Hartwig Struckmeyer nach Beverstedt, wo er in einer von ihm restaurierten alten Wassermühle eine Galerie für bildende Künste, Einzelausstellungen und Konzerte einrichtete und betrieb. Vor allem aber intensivierte er seine schriftstellerischen und bildkünstlerischen Arbeiten enorm, arbeitete als Lektor für Belletristik im Claassen-Verlag und ab 2001 als freier Lektor und Autor für den hiesigen Donat Verlag. Ab 1995 verfasste und veröffentlichte Hartwig Struckmeyer ein literarisches Werk nach dem anderen, teils angereichert durch eigenhändige Illustrationen. 

Hartwig Struckmeyer war ein Menschenfreund, der junge Leute ermunterte und förderte und ältere Leute nicht minder. In Bremen führte er – nicht zuletzt in der Buchhandlung Leuwer am Wall – zahlreichen Lesungen durch und nahm an Veranstaltungen und Buchpremieren des Literaturkontors teil. Von 2005 bis 2014 wirkte der Schriftsteller als 1. Vorsitzender des Fördererkreises deutscher Schriftsteller in Niedersachsen und Bremen und repräsentierte ihn nicht zuletzt bei Vorgesprächen und Veranstaltungen der alljährlich durchgeführten Niedersächsischen Literaturtage. 

In Hartwig Struckmeyers Werken geht es um erreichbare Wünsche und solche, die an der Wirklichkeit zerbrechen, geht es um Inszenierungen, Kochkünste, Vollkommenes und Unvollkommenes, um Freundschaft und Liebe, Lachen, Schreien und den Tod. In seinem Gedichtband Nacht und Tag steht: Gehst du, / stirbt der Tag, / und den Morgen / begrüßt der Tod.

März, 2024

Es erschienen – der Reihe nach – die Bücher:

Bremen aus der Luft (Fotos Günter Schneider), Berlin 1995; (als Hg:) Ich fühle deines Herzens Schlag. Liebesgedichte, Hildesheim 1995; Gedichte – Wenn du mir einfällst, fallen mir die Worte zu, Bremen 1999; Auberginen – Eine Geschichte und ein Spiel, Bremen 2002; Der Blaue Hut, Bremen 2003, Gedichte und Geschichten, Bremen 2004; Nacht und Tag. Gedichte, Bremen 2006, Briefe aus Prag, Bremen 2007; Jacke wie Hose. Begebenheiten, Bremen 2010; Das blaue Schaf, Bremen 2013; Alltagsbegegnungen, Bremen 2014; Das sind so Geschichten. Begegnungen im Alltag, Bremen 2017; Nachtnotizen, Bremen 2018; Blätter wehn im Wind, Hamburg 2020; Ich gehe durch den Regen. Gedichte, Hamburg 2020; Sieben Zeichnungen begegnen sich, Hamburg 2022; Verse in die Nacht geschrieben, Hamburg 2023; Nächtliche Erinnerungen. Gezeichnetes, Hamburg 2024.